Ausstellungen

   
Langenthal mit fremden Augen

Berner Zeitung, 31.01.2006

«Langenthal?» Philipp Heckmann zieht an seiner selbstgedrehten Zigarette. «Langenthal kommt mir manchmal vor, als ob es einen Krieg erlebt hätte. Vom Stadtbild her.» Da gebe es diese «wunderschönen alten Häuser» – und gleich daneben stehe ein Betonklotz. Oder die uralte Scheune neben den Neubauten. «Und das mitten in der Stadt», sagt Philipp Heckmann ganz erstaunt.

Der 46-jährige Deutsche sieht Langenthal mit fremden Augen. Seit September ist er hier zu Gast. Er arbeitet in Langenthal, an der unteren Marktgasse, als Künstler. Er malt, er stellt Collagen her, er fotografiert. Heckmann weiss auch schon das Thema des nächsten Fotoprojekts: Alt und Neu. «Das ist natürlich nichts Neues, Alt und Neu nebeneinander zu stellen. Aber hier in Langenthal ist dieser Gegensatz sehr, sehr krass.»

«Der Staunende»
Kein Wort von den «hüfthohen Trottoirs», welche den Fremden in Langenthal immer zuerst auffallen sollen. Dafür ein erstauntes Fragen, ob Langenthal wirklich die durchschnittlichste Schweizer Stadt sei. Und wie er gestaunt habe, als kürzlich eine ganze Panzerkolonne auf der Bützbergstrasse daherrollte.Das Staunen ist Philipp Heckmanns ständiger Begleiter. Und das Ergebnis dieses Staunend-in-die-Welt-Blickens hängt ab Donnerstag im Chrämerhuus; die Ausstellung dauert nur eine Woche. Malereien, Collagen, Fotografien. Er stellte schon oft in Deutschland aus, seit 15 Jahren auch in Nizza, auf Lanzarote und in Thailand.

«Bin wieder gestrandet»
Warum nun ausgerechnet in Langenthal? «Ich bin mal wieder gestrandet», sagt er. Seine Freundin Oy Fankhauser, die er in Thailand kennen lernte, ist wieder nach Langenthal zurückgekehrt. Seit letzten September pendelt Philipp Heckmann nun zwischen Deutschland und Langenthal.
«Ich bin ein Triebtäter»
Aufgewachsen ist Heckmann in Freiburg im Breisgau als Einzelkind. Sein Vater, Walter Heckmann, war Maler und Bildhauer. «Er wollte nie, dass ich Maler werde.» Doch der kleine Philipp tat, was Kinder gerne tun: Er malte trotzdem. Immer wieder, immer besser. «Ich bin ein Triebtäter. Ich muss malen.» Wohl versuchte er sich in einem «richtigen» Beruf. Machte ein Praktikum als Schriftsetzer – damals noch im Bleisatz, startete eine Ausbildung als Retuscheur, lernte, wie man Bilder freistellt, lernte, wie man echt wirkende Schatten in Handarbeit erzeugt – «heute hat man dafür den Fotoshop». Nach vier Monaten hatte er genug – und die Malerei hatte ihn wieder.

«Der Naturschützer»
Fortan arbeitete er für Naturschutzorganisationen und für Zeitschriften in Deutschland und in Italien. Er machte Fotoreportagen und stellte regelmässig aus. Dann, 1994, die Zäsur: Der Tod seines Vaters. «Er war mein bester Freund, Meister und Vater.» Die Trauerphase dauerte drei Jahre. Gemeinsam mit seiner Ehefrau zog er in der Wald, wie er sagt. Er versuchte sich im Antikhandel. Drei Jahre wohnten sie in Nizza. Später, auf Lanzarote, kams zur Trennung – nach zwanzig gemeinsamen Jahren. Thailand und Australien waren weitere Stationen seines Künstlerlebens – und jetzt das Stranden in Langenthal.
Wer Philipp Heckmanns Bilder sieht, muss nicht lange überlegen, was der Künstler damit sagen will. Die Bilder, so surreal sie in wochenlanger Feinarbeit gezeichnet sind, wirken auf den ersten Blick sehr real. Heckmann malt nach der Devise: «Ein Bild, das für sich sprechen kann, ist ein gutes Bild.»
Seit 15 Jahren kann Heckmann allein von seiner Kunst leben. Ob nun seine Art von Malerei gerade in Mode ist oder nicht, sei für ihn nicht relevant. «Denn ich male ja sowieso.»
Sagts und dreht sich eine Zigarette. Rudi Bärtschi

Ruedi Bärtschi