Ausstellungen

Horst Roland

Rede zur Eröffnung der Ausstellung Philipp Heckmann
am 24. November 1995 in der Bezirkssparkasse Heppenheim

Meine Damen und Herren,
wenn man eine Kunstausstellung wie diese zu besprechen hat, lässt sich dazu freilich eine Menge sagen, denn es gibt ja hier Zeichen zu sehen, die jedem vertraut sind, es gibt ganz offensichtlich ein durchgängiges Thema, dass mit unserer gefährdeten Umwelt zu tun hat und es gibt einen unmittelbaren Zugang.

Und dennoch würde ich Ihnen diesmal am liebsten sagen: Liebe Leute, guckt Euch die Bilder an, es gibt eigentlich nichts zu sagen, aber viel zu tun. Das wäre nun freilich ungehörig; deshalb doch ein paar Gedanken zu Künstler und Werk:

Was Philipp Heckmann uns heute abend vorführt ist keine Kunst der beliebigen formalen Spielerei; ihrer Inhaltlichkeit kann man sich schwerlich entziehen. Auf den ersten Blick erscheinen seine Bilder bunt und fröhlich, näher betrachtet entpuppt sich dann aber schnell manch vordergründig Pittoreskes als trügerisch, Ironie blitzt auf und am Ende gerät der Betrachter in einen Hinterhalt, in dem sich die Grausamkeiten spiegeln, welche die moderne Konsumgesellschaft der Natur zumutet. Heckmann bebildert Zustände als Grotesken; seine Imaginationen beschwören die Gegenwart der Umweltgefährdung und - Zerstörung mit Sarkasmus und Humor, ohne dabei an Verbindlichkeit zu verlieren.
Ungewöhnlich detailfreudige und exakte Bilder sind zu sehen, „ dass uns die Augen auf - und übergehen“, wie Eberhard Urban sagt.

Zeigt uns da doch einer Schreckensbilder hinter der schönen Welt des Scheins, wie die Welt wird, wenn das so weiter geht oder wie sie schon ist. Es ist ein kabarettistischer, karikaturhafter Blick auf die „ Ungeheuer und die Ungeheuerlichkeiten in der Welt“, wie es einer einmal formuliert hat, freilich keine Lachnummer, bei der man sich auf die Schenkel haut. Die Botschaft, die auf die Realität hinzielt, das Phantastische und Surreale sowie die Brechung beider in der Ironie - sie sind charakteristisch für dieses originäre, engagierte und auch von seiner Methode her ganz schön schlitzohrige Werk, das gerade deswegen besticht, weil es sich weder in Betroffenheitsschwiemelei, noch in Zynismus, Agitation oder der Darstellung apokalyptischer Scheußlichkeiten erschöpft. Bilder dieser Art kennen wir zur Genüge von der täglichen Bilderflut der Medien. Sie bleiben kaum noch haften. Heckmann lockt uns sozusagen in den Hinterhalt, wie einer seiner Interpreten einmal gesagt hat. Er tut dies, indem er perfekt eine realistische, altmeisterliche Malerei vorführt, indem er uns vordergründig Schönes vorgaukelt. Die Doppelbödigkeit des Unterhaltsamen ist dabei natürlich nicht ausgeschlossen. Wenn er uns damit bezwungen hat, merken wir plötzlich, dass die sich tummelnden Fische nicht mehr Schuppen aus Keratin, sondern aus Blechplättchen haben und dass vom „ Rheingold“, angesichts des Haufens alter Ölsardinenbüchsen nur ironisch die Rede sein kann.
Wie denn überhaupt die Bildtitel einen gehörigen Wasserschwall auf die Mühlen der Heckmann’schen Ironie ergießen. „ Frutti di Mare“ für die zwei Blechfische in einer toten Unterwasserwelt ist dafür ein treffendes Beispiel.

Manchmal erhellt der Titel auch und gibt Fingerzeige, was man im Labyrinth der Bilder und Zeichen suchen soll. Nehmen Sie z. B. den ,,Jaguar“. Es könnte Ihnen gehen wie mir, wenn Sie Bild und Titel miteinander vergleichen. Weiß Heckmann nicht den Unterschied zwischen einem Löwen und einem Jaguar?. Der Löwe führt uns in die Irre, den Jaguar finden wir später unter dem Grabdenkmal anders als erwartet. Was ist da passiert, dass die Flora und Fauna den Sieg über die Technik davongetragen hat?

Wird da nicht die ganze Absurdität unseres heillosen Umgangs mit unserer Erde deutlich, wenn die Gebirge total verkarstet sind, dass nichts mehr aus dem Stein sprießen kann und die Asphaltstraßen aufgerissen werden, um an den darunter verborgenen, verblieben Boden zu kommen?

Das sind Bilder, die sich einprägen; sie sind mit lasierenden Acrylschichten kulinarisch gemalt, aber die Augen gehen uns nicht nur deswegen auf und über. Wo Kunst erkenntnisfähig bleiben will, bedient sie sich dieser Strategie der Irritation, Irritation die wachhält.
Manche surrealistischen Momente erinnern an Rene ‚Magritte, anderes an Max Ernst und wieder anderes an Walter Heckmann. Doch weder für Ernst noch für Magritte war das Umwelt-Thema von Belang. Überhaupt lässt sich Philipp Heckmann nicht guten Gewissens in die Reihe der Surrealisten stellen, weil seine Malerei nicht als der unbewusste und symbolische Ausdruck latenter Konflikte oder verdeckter libidinöser Impulse verstanden werden kann. Die Konflikte, die aufgezeigt und bebildert werden, sind außerhalb, die Neurotik hat nicht ihn, sondern die Welt erfasst, in der er lebt.

Im Aufzeigen dessen, was ist, gibt es auch Verwandtschaften mit Klaus Staeck, doch wo jener auf plakative Wirkung zielt, konkrete Figuren aggressiv vorführt bis hin zur Polemik, ist Heckmann zuallererst Maler, Künstler, dessen Ausdrucksmittel Komposition, Farbe, Gestalt, Bildsignale sind, die mit leiseren Mitteln nicht weniger eindringliche Appelle aussenden.
Dass bei seinen ungewöhnlichen malerischen Qualitäten die Angabe „Autodidakt„ in der Vita vermeldet wird, ist kaum zu glauben. Wer freilich noch die Ausstellung seines Vaters Walter Heckmann vor genau 10 Jahren in Erinnerung hat, weiß, woher die Begabung kommt.
Zum Schluss darf ich nicht vergessen, andere künstlerische Betätigungsfelder von Philipp Heckmann zu erwähnen. Da ist zunächst einmal die Fotografie, die allerdings in dieser Ausstellung nur rudimentär vertreten ist (in der Collage „ Der Jaguar“).

Was uns heute aber besonders entzückt, sind die plastischen Arbeiten in der Vitrine.
Nicht neu ist der Gedanke, vorgefertigte oder gefundene Objekte so zu montieren, dass daraus etwas-neues entsteht. Philipp Heckmann beschränkt sich dabei auf Teile aus des großbürgerlichen Wohnkultur: Messingbeschläge, Bronzegriffe, Lampenfüße und ähnliches. Er fügt die Dinge so zusammen, dass ihre Herkunft erkennbar bleibt und dennoch der Eindruck eines organischen Formgebildes entsteht. Genau aus dem Spannungsfeld beziehen diese Arbeiten, die auch noch mühsam patiniert werden ihren vor Witz, Humor und Phantasie strotzenden Reiz. Während die ersten Arbeiten dieses Genres noch statuarisch daherkommen, zeichnen sich bald viele durch schwungvolle Bewegung aus.

Die Ausstellung ist eröffnet.

Horst Roland