Ausstellungen

Ein Frankfurter Künstler
Der Archetyp

pro, Frankfurter Hochschulzeitung, 11/12.1991

Philipp Heckmann ist der Maler unseres kollektiven Unterbewußtseins. In seinen Bildern bringt er das zusammen, was wir im Alltag fein säuberlich trennen müssen: das Bedürfnis nach einer heilen Welt und das Unbehagen an der modernen Zivilisation. Seine Bilder sind gegenüber der Schirn, unter den Arkaden, in der „Galerie an derSchin” ausgestellt. Es ist die Produzentengalerie seines Vaters, des Malers Walter Heckmann.

„Das nächste Mal stellen Sie bitte im Museum für Kunsthandwerk aus“, schrieb ihm eine Städelschülerin ins Ausstellungsbuch, als er seine Bilder auf dem Museumsuferfest in Frankfurt ausstellte. Dieser Eintrag war als harsche Kritik gemeint. Heckmanns Bilder sind handwerklich perfekt gemalt und wirken auf den ersten Blick dekorativ. Grund genug für eine Malerkollegin aus dem Milieu der etablierten Frankfurter Kunst, auf ihn mit Verachtung herunterzublicken.
Seine Kritik an der Frankfurter Kunstszene hat Heckmann in dem Gemälde „Verein zur Verschönerung des Stadtwaldes“ umgesetzt: Mitten im Wald hat man aus einer Baumgruppe geometrische Skulpturen herausgearbeitet. Die Kunstjournalisten sind schon da, um dieses Ereignis auf ihren Photoapparat zu bannen. Im linken Bildvordergrund stehen Waldarbeiter unschlüssig vor den Kunstwerken. Auf den noch vorhandenen Bäumen sitzen matt und träge irgendwelche märchenhaft aussehende Gestalten herum. Die Bäume stehen für die Natur. Die Fabelwesen für die Kreativität, die in uns schlummert. So wie die Figuren des Bildes kein Interesse an den Bäumen und seinen Fabelwesen zeigen, so ignorieren wir unsere äußere und innere Natur. In seiner Schilderung werden die Kunstwerke zu kaltem, technischen Mobiliar.

Seiner Meinung nach unterstreichen manche Arbeiten der modernen Kunst die Gefühlskälte der Zivilisation noch. In seinem Bild tritt diese Kritik jedoch nicht auf den ersten Blick zutage. Im Gegenteil, sein Gemälde spricht ersteinmal unser Harmoniebedürfnis an. Man könnte sich in das Bild hineinträumen. Das ist seine Arbeitsweise: er nimmt Symbole unserer Zivilisation oder Kultur und baut sie in seltsam-bizarre und erstarrte Landschaften ein. Da vergräbt z.b, einer ein Auto, das menschliche Züge angenommen hat, in den Wüstensand ein. Als der Golfkrieg zu Ende ist, malt er eine Arche Noah: ob die Sintflut gerade vorbei ist, oder noch auf uns zu kommt, ist dem Bild nicht zu entnehmen. Heckmann nimmt in seinen Bilder weder Stellung, noch setzt er sich mit seiner Umwelt auseinander. Alles was passiert, geschieht zwangsläufig, weil seiner Meinung nach die Natur und die Zivilisation keine Gegensätze sind. Die Zivilisation ist ein Teil der Natur. Alle seine Bilder haben einen „Gag“. So karrt Noah keine Tiere auf seinem Schubkarren, sondern eine Frau, in einer Pose, wie man sie von den Gemälden der alten Meister her kennt. Der „Gag“ in seinen Bildern läßt die Symbole unserer Kultur und Zivilisation, vom Schwert des Damokles bis hin zu den Atomkraftwerken, zu romantisiertem Müll, zu Kulissen unserer Tagträume werden. Wenn wir schon keine Macht haben, uns gegen die Gewalt der Zivilisation zu wehren, dann gibt uns Heckmann wenigstens die Gelegenheit, sie via Träume in unsere Sehnsucht nach einer heilen Welt einzubauen.

Man kann sich mit ihm einfach in irgendeinem Café in Frankfurt verabreden. Er wohnt in der Domstraße gegenüber dem neu erbauten Museum für moderne Kunst. Zu der „Galerie an der Schirn”, wo seine Bilder ausgestellt sind, ist es nicht weit. Diese beiden Punkte, Wohnung und Galerie bilden den Mittelpunkt des Radius in dem er sich bewegt. Heckmann ist 31 Jahre alt und Autodidakt. Seine blau-grauen Augen leuchten immer so, wie bei einem kleinen Jungen, der zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum sieht. Aber seine Ansichten zu Politik und Gesellschaft sind übervernünftig; von Utopien oder Illusionen keine Spur. Jeder müsse bei sich selbst anfangen, wenn etwas verändert werden solle, meint er. Er malt jeden Tag von frühmorgens bis mittags, strikt, ohne eine Ausnahme zu machen. Eine gewisse Regelmäßigkeit und Struktur im Alltag ist wichtig für sein Arbeiten.

„Das Projekt“, so hat der das Gemälde genannt, das er als Reaktion auf den Neubau des Museums für moderne Kunst gemalt hat. Von seinem Fenster aus konnte er die Bauarbeiten verfolgen. Wie das Bild zeigt, hat er von seinem Schneckenhaus aus das Entstehen eines anderen Schneckenhauses bis zur Fertigstellung beobachtet. Er hat die beiden Schneckenhäuser in eine romantische Landschaft versetzt. Nicht einmal der Traum von einer heilen Natur ist uns geblieben. Im Inneren unserer Schneckenhäuser hat sich die Computertechnik, haben sich die eiskalten Architekturformen der Metropole schon längst festgefressen. Auf Philipp Heckmanns Bildern ist es schon fünf nach zwölf. Aber diese schmerzhafte Tatsache versetzt uns auf seinen Bildern nicht in Panik. Wir nehmen es gelassen hin.

Anita Fornoff