Bilder von ihm sind zurzeit im Schaufenster der Frankfurter Galerie
an der Schirn zu sehen. Für gewöhnlich ist er im zweiten Stock
ausgestellt: Philipp Heckmann, der Frankfurter Umweltmaler.
Wer
jetzt aber glaubt, hier würde einer schockierende Bilder malen,
der irrt. Im Gegenteil, seine Bilder sind so paradiesisch schön,
daß sie Balsam für streßgeplagte Seelen sind.
Wer vor ihnen steht, wird verblüfft vor Versatzstücken seiner
eigenen privaten und politischen Tagträumerei stehen. Angesichts
der Umweltprobleme inszenieren wir doch alle irgendeine »heile
Welt«, um überhaupt psychisch überleben zu können.
Diesen Mechanismus enthüllt Philipp Heckmann, indem er Symbole
unserer Zivilisation (kaputt oder verfremdet) in phantastische, märchenhafte
Szenerien setzt.
Eine fast menschenleere Wohngegend in Tschernobyl, das Robbensterben
an der Nordsee, von Altlasten vergiftete Grundstückte, auf denen
das traute Familienglück ihre Häuschen baut, mit Hilfe von
Chemie hochgezüchtetes Obst und Gemüse, das hinterher wieder
vernichtet wird ... Das Fernsehen und die Zeitungen liefern uns täglich
Bilder ins Haus, die leider immer noch nicht unsere Vernunft im notwendigen
Ausmaß aktiviert.
Heckmanns Gemälde lassen den Verdacht aufkommen, daß es diese
Vernunft vielleicht gar nicht gibt. Er malt Computer, Autoteile, Brücken,
Säulen oder sonstige Dinge aus der Geschichte, der Technik und
dem Alltag als Natur. Auch der Mensch erscheint hier nicht als Naturbeherrscher,
sondern lediglich als ein Teil der Natur.
Heckmanns Bilder haben keine analytischen, sondern seherische Qualitäten:
Da der Mensch lediglich ein Stück Natur ist, ist auch alles, was
der Mensch hervorbringt, letzten Endes “Natur«, also auch
ein Atomkraftwerk. Die Zivilisation erscheint somit nur als Illusion,
die sich die Menschen machen, um sich über die Natur erheben zu
können. Wer Heckmanns Bilder betrachtet, der begreift, daß
Menschen niemals in der Lage sein werden, risikoreiche Technologien
(Atomkraft, Gentechnologie, Chemie usw.) so in den Griff zu bekommen,
daß die globale Umweltkatastrophe. Für den Seher Heckmann
ist das Ende bzw. Nichtvorhandensein der Zivilisation keine Horrorvorstellung.
Da kniet einer vor seiner Baumskulptur aus Gips, im Hintergrund ist
eine ästhetische Fabriklandschaft zu sehen. Auf einem Berg sind
drei Giftfässer in den Farben schwarz, rot, und gelb, so selbstverständlich
aufgestellt, als würde es sich um Bergkreuze handeln. Vor einer
leer und erstarrt wirkenden Frankfurter Hochhauskulisse spielt ein Elefant
seelenruhig mit einem Schachcomputer, umringt von Urwaldgrün. Denjenigen,
die immer noch auf die Aufklärung und die Vernunft der Wissenschaft
setzen, kommt beim Anblick dieser Bilder das Grausen.
Es ist zu hoffen, daß dieser Schock über Heckmanns Bilder
einer kaputten, aber sich heil gebenden Welt Lernprozesse in Gang setzt.
Auch wenn der Künstler selbst mit seinen Bildern “nichts
bewirken will“. Heckmann will aber, daß die Betrachter sich
an seinen Bildern erfreuen. Da seine Bilder gegenständlich gemalt
sind, kommen sie beim Publikum gut an. Erfrischend respektlos und unernst
geht er mit unseren Kultur- und Konsumsymbolen um: Die Frankfurter Alte
Oper hat er kurzerhand zum Schneckenhaus einer riesigen Urzeitschnecke
gemacht. »Mitgift« nennt er ein Gemälde, auf dem eine
wunderschön anzusehende Frau in einem versteinerten Wald steht.
Der Wald ist mit Drahtseilen durchzogen, die Frau blickt auf die vor
ihr stehenden, gefüllten Supermarkteinkaufswagen. Konsum ist alles,
was wir von unserer zweckrationalen Gesellschaft erwarten können.
Wer an Philipp Heckmanns Bilder nur analytisch herangeht, kann seine
Bilder kritisieren; Es findet auf seinen Bildern keine direkte Auseinandersetzung
statt. Aber weil er gerade nur das malt, was er jetzt und in der Zukunft
sieht, läßt er den Betrachtern eigenen Raum, mit dem Gesehenen
umzugehen. Einerseits macht es Spaß, sich seine lustvoll gegenständlich
gemalten Bilder an die Wand zu hängen und zu betrachten. Auf der
anderen Seite sind sie eine stete Erinnerung daran, wachzubleiben!
Anita Fornoff |