Ausstellungen

Ein Frankfurter Umweltmaler wird entdeckt

pro, Frankfurter Hochschulzeitung, 01/1989


Bilder von ihm sind zurzeit im Schaufenster der Frankfurter Galerie an der Schirn zu sehen. Für gewöhnlich ist er im zweiten Stock ausgestellt: Philipp Heckmann, der Frankfurter Umweltmaler.

Wer jetzt aber glaubt, hier würde einer schockierende Bilder malen, der irrt. Im Gegenteil, seine Bilder sind so paradiesisch schön, daß sie Balsam für streßgeplagte Seelen sind.
Wer vor ihnen steht, wird verblüfft vor Versatzstücken seiner eigenen privaten und politischen Tagträumerei stehen. Angesichts der Umweltprobleme inszenieren wir doch alle irgendeine »heile Welt«, um überhaupt psychisch überleben zu können. Diesen Mechanismus enthüllt Philipp Heckmann, indem er Symbole unserer Zivilisation (kaputt oder verfremdet) in phantastische, märchenhafte Szenerien setzt.

Eine fast menschenleere Wohngegend in Tschernobyl, das Robbensterben an der Nordsee, von Altlasten vergiftete Grundstückte, auf denen das traute Familienglück ihre Häuschen baut, mit Hilfe von Chemie hochgezüchtetes Obst und Gemüse, das hinterher wieder vernichtet wird ... Das Fernsehen und die Zeitungen liefern uns täglich Bilder ins Haus, die leider immer noch nicht unsere Vernunft im notwendigen Ausmaß aktiviert.

Heckmanns Gemälde lassen den Verdacht aufkommen, daß es diese Vernunft vielleicht gar nicht gibt. Er malt Computer, Autoteile, Brücken, Säulen oder sonstige Dinge aus der Geschichte, der Technik und dem Alltag als Natur. Auch der Mensch erscheint hier nicht als Naturbeherrscher, sondern lediglich als ein Teil der Natur.

Heckmanns Bilder haben keine analytischen, sondern seherische Qualitäten: Da der Mensch lediglich ein Stück Natur ist, ist auch alles, was der Mensch hervorbringt, letzten Endes “Natur«, also auch ein Atomkraftwerk. Die Zivilisation erscheint somit nur als Illusion, die sich die Menschen machen, um sich über die Natur erheben zu können. Wer Heckmanns Bilder betrachtet, der begreift, daß Menschen niemals in der Lage sein werden, risikoreiche Technologien (Atomkraft, Gentechnologie, Chemie usw.) so in den Griff zu bekommen, daß die globale Umweltkatastrophe. Für den Seher Heckmann ist das Ende bzw. Nichtvorhandensein der Zivilisation keine Horrorvorstellung. Da kniet einer vor seiner Baumskulptur aus Gips, im Hintergrund ist eine ästhetische Fabriklandschaft zu sehen. Auf einem Berg sind drei Giftfässer in den Farben schwarz, rot, und gelb, so selbstverständlich aufgestellt, als würde es sich um Bergkreuze handeln. Vor einer leer und erstarrt wirkenden Frankfurter Hochhauskulisse spielt ein Elefant seelenruhig mit einem Schachcomputer, umringt von Urwaldgrün. Denjenigen, die immer noch auf die Aufklärung und die Vernunft der Wissenschaft setzen, kommt beim Anblick dieser Bilder das Grausen.

Es ist zu hoffen, daß dieser Schock über Heckmanns Bilder einer kaputten, aber sich heil gebenden Welt Lernprozesse in Gang setzt. Auch wenn der Künstler selbst mit seinen Bildern “nichts bewirken will“. Heckmann will aber, daß die Betrachter sich an seinen Bildern erfreuen. Da seine Bilder gegenständlich gemalt sind, kommen sie beim Publikum gut an. Erfrischend respektlos und unernst geht er mit unseren Kultur- und Konsumsymbolen um: Die Frankfurter Alte Oper hat er kurzerhand zum Schneckenhaus einer riesigen Urzeitschnecke gemacht. »Mitgift« nennt er ein Gemälde, auf dem eine wunderschön anzusehende Frau in einem versteinerten Wald steht. Der Wald ist mit Drahtseilen durchzogen, die Frau blickt auf die vor ihr stehenden, gefüllten Supermarkteinkaufswagen. Konsum ist alles, was wir von unserer zweckrationalen Gesellschaft erwarten können.

Wer an Philipp Heckmanns Bilder nur analytisch herangeht, kann seine Bilder kritisieren; Es findet auf seinen Bildern keine direkte Auseinandersetzung statt. Aber weil er gerade nur das malt, was er jetzt und in der Zukunft sieht, läßt er den Betrachtern eigenen Raum, mit dem Gesehenen umzugehen. Einerseits macht es Spaß, sich seine lustvoll gegenständlich gemalten Bilder an die Wand zu hängen und zu betrachten. Auf der anderen Seite sind sie eine stete Erinnerung daran, wachzubleiben!

Anita Fornoff