FRANKFURT
A. M. Die Kunst der Malerei wählt diesmal den geraden Weg, also
eine für jeden Betrachter verständliche Sprache ihrer Botschaften.
Mit der Ausstellung der Künstlergruppe „Neuefrankfurter“
im Bürgerhaus Bornheim wollte die Saalbau-GmbH. die Schwellenängste
beseitigen die vielen Menschen oftmals den ersten Schritt ins esoterische
Reich der Museen und Galerien verleiden.
Grundlos sind diese Ängste nicht, da viele Kunststätten, insbesondere
renommierte Galerien den Weihrauch der Kunstkenner-Clans schon an den
Eingangstüren ausströmen. Der Jahrmarktsruf „Nur hereinspaziert”
könnte manchem Neugierigen ins innere Heiligtum dann gar nicht
mehr so unnahbarer Kunstausstellungen locken. Doch kein Galerist ruft
so.
Nun hat mit der Ausstellung der Künstlergruppe „Neuefrankfurter“
die Saalbau-GmbH. zwar keinen Jahrmarkt veranstalten wollen im Bürgerhaus
Bornheim in der Arnsburger Straße. Doch den Schritt zur Öffentlichkeit,
zum Treiben der vorbeiziehenden Menschen, die auf ihren alltäglichen
Wegen mit Kunstwerken nicht rechnen, diese Hinwendung erleichtert allein
schon die Gestaltung der Ausstellung „Neuefrankfurter“.
Im Bürgerhaus Bornheim wo die Bilder der Künstlergruppe bis
vor wenigen Tagen noch zu sehen waren hat die Ungezwungenheit der Präsentation
auf Stellwänden im Foyer mit einer angenehmen Selbstverständlichkeit
die Besucher angesprochen. Eine Überredungskunst gewssermaßen,
und zwar durch unmissverständliche Bildinhalte.
Den Künstlern Gerd Roßhirt, Karl-Dieter Dudek. Philipp Heckmann
und Fred Nolte geht es in denn Werken, will man einen Nenner suchen
für die sehr unterschiedlichen Malstile um die (im weiten Sinn
gefasste) Natur. Gemeinsame Intention ist die „Darstellung konkreter
Dinge“, erläuterte Philipp Heckmann. Er legt Wert darauf
eine Kunst zu gestalten, die auch für Menschen die mit der Malerei
nicht vertraut sind verständlich ist, und zwar „abseits von
Texterklärung und Theorie“.
Das begrüßte auch Kathrin Gerlach mitverantwortlich für
die Öffentlichkeitsarbeit der Saalbau und damit auch für die
Ausstellung der „Neuenfrankfurter“. Die Künstler „stellen
sich quer zur aktuellen Kultur-Politik, und das mit umweltkritischen
Werken, die von den Malern stets in eine unmittelbare Nähe zu den
Leuten auf der Straße, also zu Menschen auch ohne ausgeprägtes
Kunstverständniss ausgestellt werden“.
Dass hierbei die Bilder zuerst einmal mit Szenen und Motiven reizen
die dem Wahrnehmungsbereich unseres Alltagsbewusstseins und seiner unterschwelligen
Tagtäumerei nur allzu vertraut sind, dies stellt zwar eine Leichtigkeit
des Sehens her, die jedoch auch eine regelrechte Berg und Talfahrt durch
die unterschiedlichen Stiltechniken der vier Maler ist. Da kann´s
einem doch unversehens schwindelig werden, und mit der Leichtigkeit
ist dann Sense.
Die
„Neuenfrankfurter“, die im Juni ihre erste Ausstellung „Unter
den Arkaden“ an der Frankfurter Schirn hatten, arbeiten als Gruppe
freischaffender Künstler zusammen. Dennoch hat jeder eine andere
Richtung. Fred Nolte greift in den Bilder(Buch)schaft des Vulgären,
zieht Figuren hervor, die erschaudern lassen. Da tanzen nackte Weiber
(Frauen?. nein, das sind sie nicht) schrille Veitstänze mit klirrenden
Totengerippen. Andere Szenen gewähren verstohlen Einblicke in die
öffentliche Intimsphäre des Dirnenlebens.
Nolte blickt ganz ungeniert hin, lockert mit seinen farbigen Zeichnungen
die Natur unserer Menschlichkeit auf zum warmgetönten, mal wuselig
skizzierten, mal dicht schraffierten Reigen der Café und Bordellatmosphären.
Hier mischen sich und das macht Noltes Zeichnungen sehenswert, Düsternis
und Geilheit mit Witz und einem satanischen Lachen.
Gerd Roßhirt dagegen hat wohl kaum etwas zu lachen, nimmt man
seine Visionen ernst. Diese Zeichnungen (so gegenständlich-dicht
gestaltet, dass sie von weitem wie mit ÖI oder Acryl gemalt wirken)
übergeben sich schier vor lauter Übelkeit an surreaerm Alpträumerei.
Rosshirt glättet dabei das irrationale mit einer ausgezeichneten
Zeichentechnik.
Ein Mann (Platzangstgeschädigte, aufgepasst) zwängt sich mit
seinem Kopf aus einem entblößten Frauengesäß;
ein Greis mit abgenagtem Beinstumpf kämpft, einen Armstumpf zur
Abwechslung als Keule benutzend mit Ungeheuern; Hände zerreißen
Leiber wie Teigwaren - Rosshirts Ängste ob der (Un)-Natur menschlicher
Gewaltvorstellungen kennen keine Phantastearmut.
In Philipp Heckmanns Acrylbildern geht’s ähnlich surrealistisch
zu, doch seine Träume von Mensch und Natur sind wie mit Schlaf
und Nerventee besänftigt. Hier wandeln farbig und minutiös
ausgemalt Menschen ohne Orientierung durch märchenhafte Gefilde
und erleben Szenen, die nur Traum und Künste kennen (beispielsweise
ein Skifahrer in einer Mondlandschaft mit Parkuhr). Allerdings sind
Heckmanns symbolische Bildgeschichten (ähnlich wie bei Rosshirt)
trotz einer hervorragend vergegenständlichenden Maltechnik sehr
schnell zu Ende geschaut, gleichsam ausgelesen.
Karl-Dieter Dudek wiederum trifft die Natur abseits von überquellender
Inhaltlichkeit und bedeutungsschwangerem Symbolgewusel in ihrem Verschwinden
an, sodas leise, fast traurig, dem Betrachter noch einmal, ein letztes
Mal, spürbar wird der Abschiedsgruß von Muttererde. Vor diesen
zarten im Dunstkreis, wie von Morgentau und Nebelschwaden gehaltenen
Naturmotiven, werden Worte kaum noch nötig sein, um zu begreifen
was diese Mischtechniken uns zeigen wollen: Natur, die uns erst denn
bewusst wird wenn sie vergeht.
Die Ausstellung der „Neuenfrankturter“, die übrigens
noch weitere Künstler und Künstlerinnen in ihre Gruppe aufnehmen
möchten, ist vom 26 November bis 4. Dezember im Haus Dombusch,
Eschenheimer Landstraße 248 zu sehen.
kal
|