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Philipp Heckmann
Kulinarische Augenblicke

Eine Bilderumkreisung von Eberhard Urban


So rund wie Töpfe und Pfannen, Schüsseln und Teller sind die Bilder, die Heckmann zu unserer Augenlust bereitet hat. Dank des Künstlers Fantasie beginnt unsere Vorstellungskraft zu kreisen. Und es dreht sich immer um das Eine, um den Genuss in Fülle und Vielfalt. "Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch. Die gerade Linie ist keine schöpferische, sondern eine reproduktive Linie." Philipp Heckmann hatte sich über diesen Ausspruch von Hundertwasser gewundert. Hatte dieser Künstler, der gegen die gerade Linie seine vegetative Spirale entwickelt hatte, doch alle seine Bilder mit geraden Linien begrenzt. Es war für Heckmann eine Herausforderung, nicht-gerade Bilder zu schaffen, haben doch Papier, Leinwände und Bilderrahmen gerade Linien. Und Heckmann knüpfte an Traditionen an, die bis in die Anfänge der Kunst reichen.

Schon in der Höhlenmalerei ist der Kreis das Abbild der Vagina und der Sonne, Zeichen lebensspendender Glut. Das Auge, um dies zu erkennen, ist auch ein Kreis - wie die weibliche Brust und die Früchte der Bäume und der Felder, um das Leben zu nähren. Die frühen Formen der Kunst verknüpfen sich rundum in ihrer Mehrdeutigkeit. Das Rund, oft als Sonnenrund mit seinem Strahlenkranz und in Erinnerung an ein vergangenes Matriarchat als das Rund des weiblichen milchfarbigen Mondes, ist die besondere Form für wertvolle Darstellungen - von der Münze und dem Medaillon bis zur Glorie, dem Heiligenschein des Christentums und älterer Religionen.Das Rund als perfekte Form fand in allen Künsten Verwendung. Im Garten als Rondell, in der Architektur als Rundbau und Fensterrose, in Musik und Tanz als Rondo. Das runde Bild ist eine Frucht der perspektivischen Untersuchungen der Maler seit dem Quattrocento, der Frührenaissance. Das italienische Wort für "rund" wurde zum Gattungsbegriff: Tondo. Das kreisrunde Bild in seinem Rahmen, der wie ein Fenster in den Raum der Darstellung wirkte, schuf eine gewollte Distanz zum Betrachter in seinem Raum. Diese scheinbare Entfernung zwischen Bild und Betrachter erhöhte die Darstellung, die besonderen verehrungswürdigen Personen, der Madonna oder Heiligen galt. Die Maler Ucello, Mantegna, Botticelli, Michelangelo, Raffael und der spätere Tiepolo seien hier genannt.

Das Tondo ist die äußere Form für wert- und würdevolle Darstellung, die ideale Kreisform wurde zur Pathosformel. Im 20. Jahrhundert haben sich die Kubisten und die Konstruktivisten vereinzelt dieser Form bedient. Picasso zum Beispiel feierte in Collagen, sorgfältig komponierten Bildern aus Fotografien und anderen Elementen, die unscheinbaren aber wichtigen Dinge des Alltags. Oder Mondrian schuf Harmonien utopischer Verheißung.

Jetzt hat Philipp Heckmann das Tondo für sich entdeckt und benutzt die Kreisform zur Verherrlichung kulinarischer Versprechungen. In der Art seiner Collagen, die hier 70 Zentimeter im Durchmesser groß sind, ist er sich treu geblieben. Es sind subtile Werke, die er uns vor Augen stellt, es sind fesselnde Bilder, die uns zwingen, mehr als nur einen Augenblick zu schauen.

Philipp Heckmann, Schöpfer dieser zwingenden Bilder, wurde 1959 geboren, lebt und arbeitet nun zeitweise an der Côte d´Azur. In dieser sinnenfrohen und die Sinne entfachenden Region hat schon Chagall seine schönsten Blumenbilder und Stilleben gemalt, seine blumengeschmückten Akte und Liebespaare. Hier hat auch Walter Heckmann, Philipps Vater, für geraume Zeit gemalt, und Chagall stand bewundernd vor diesen Bildern. Walter und Philipps Mutter Usch haben den Sohn begabt mit der Lust des Sehens und Erkennens. Kunstfertigkeit und Besessenheit waren die Begabungen, die er sich selbst zufügen musste - gegen Schulen und Akademien. Und er musste anders malen als seine Väter, um Philipp Heckmann zu werden.Denn er hat drei Väter: Walter Heckmann, Max Ernst, René Magritte. Diese Väter, allesamt Kunstgeschichte geworden und immer noch lebendig in ihren Bildern, brauchen sich ihres Sohnes nicht zu schämen.

Der macht Bilder, dass uns die Augen auf- und übergehen.

Eberhard Urban