Jehan Calvus über Philipp Heckmann
Rede zur Vernissage im Gauermann Museum am 31.01.2014

Ich kenne Philipp erst seit allzu kurzer Zeit um etwas über ihn erzählen zu können oder zu dürfen. Und trotzdem traue ich mich hier das Wort zu ergreifen? Ich glaube es ist auch Ihnen schon passiert, jemanden kennenzulernen und dabei das seltsame Gefühl zu haben die Person schon immer gekannt zu haben.

Woher kommt dieses Gefühl? Für den allgemeinen Fall kann ich diese Frage nicht beantworten. Was diesen speziellen Fall betrifft, muss ich Ihnen etwas erzählen, - etwas sehr persönliches. Schon beim ersten flüchtigen Anschauen seiner Bilder im Internet, dachte ich mir: Wow, die sind so wie die Sinnbilder aus der reichen Tradition der Emblem Bücher des 16. Und 17. Jahrhunderts. Ich habe mich intensiv mit dieser kulturgeschichtlichen Erscheinung beschäftigt. Mit dem Emblem entstand in der ersten Hälfte des 16. Jhdt. eine hybride Kunstform, die textliche und bildliche Teile enthielt und sie auf bestimmte Weise miteinander verband. Jedes Emblem war aus einer Inscriptio (Inschrift) und einem Subscriptio zusammengestellt. Die Subscriptio war eine epigrammatische Beschreibung, die den Zusammenhang von Bild und Inscriptio zementierte. Die Inscriptio war meistens eine Sentenz aus der Antike oder aus dem Mittelalter. Das Emblem sollte eine Einsicht oder eine Lehre vermitteln. Die erklärte Absicht der Autoren dieser Bücher war, vorgefundenen Dingen und Ereignissen einen weiteren Sinn zuzuschreiben.

Gut, ich will Sie jetzt nicht über Embleme belehren, nur eine mögliche, vieldeutige Parallele zwischen der geistig-künstlerischen Tradition einer vergangenen Zeit und der kreativen Option eines gegenwärtigen Künstlers vorzeichnen.

Als ich später, im PhantastenMuseum Wien, bei der Retrospektivausstellung seines Vaters, dem Maler Walter Heckmann, Philipp meine „These" unterbreitet. Überraschung und kindliche Neugier waren in seinem Gesicht geschrieben. Überraschung und Neugier galten auch für mich als ich zum ersten Mal die Bilder seines Vaters gesehen habe. Wow, noch eine symbolisch emblematische Komponente seiner Biographie die mich sofort in die heroischen alten Zeiten der Malerei versetzte als es noch Künstlerdynastien gab, als man den Malerberuf im Geiste der Liebe übergab und übernahm. Dabei wollte sein Vater gar nicht dass der Junge Maler werde. Der Junge ist aber Maler geworden. Ich sehe eine Fortsetzung der Kunst des Vaters in der des Sohnes. Gewiss ist Philipps Persönlichkeit die einflussreichste Wirkungskraft auf die Form und die Inhalte seiner Kunst.

Ich will mich jetzt nicht weiter in diese Form und deren Inhalte vertiefen. - Ich bin auch nur Maler. Aus dieser selbstbezogenen Haltung heraus habe ich ihm vorgehalten dass er die gemalte Bildfläche fast in Moleküle zerstückelt. Und trotzdem zerfällt die Bildkomposition nicht. Was hält sie zusammen?

Die Antwort kam mir am Abend desselben Tages, während einer Podiumsdiskussion im MUMOK. Erlauben Sie mir hier die Darstellung dieses Geschehnisses:

Zwei Philosophen diskutieren über das, was gute und schlechte Kunst sei. Ein bummvoller Vortragssaal. Jeder zweite Satz wiederspricht sich und unterstützt irgendwie den Vorherigen: Ein Aufmarsch der Paradoxien! Was das wissensdurstige Publikum aus der Diskussion über die zeitgenössische Kunst am Ende erfahren könnte, würde ich so zusammenfassen:

Das Kunstobjekt kann man ohnehin nicht entdecken, weil dieses sich von selbst nicht offenbart. Hindeutende Zeichen sind notwendig. Das galt auch für die Kunst der Vergangenheit. Kein Römer wäre auf die Idee gekommen, behauptet einer der scharfsinnigen Philosophen, die kaiserlichen Statuen, die zu tausenden produziert wurden, als Kunst zu bezeichnen. Desgleichen mit den Kirchen des Mittelalters: Sie waren Gebetstätten, keine Kunst. Mit ihren aufgeklärten Köpfen haben alle hervorragenden Künstler dieser Zeiten keine Kunst geschaffen, sondern die Existenz Gottes bezeugt. Schluss!
Warum diese Umdeutung der Vergangenheit? Ganz einfach, weil die hervorgehobene Stellung der Kunsttheoretiker die Beweisführung durch Gegenüberstellung wirklicher Meisterschaft braucht und so ihre eigene Existenzberechtigung im globalisierten zeitgenössischen Kunstbetrieb sichert.

Und was ist die Haupteigenschaft des als zeitgenössische Kunst designierten Objektes? Es muss provozieren! Die Kunst die nicht provoziert ist langweilig und deshalb schlechte Kunst. Was mit der schlechten Kunst geschehen soll, darüber können sie sich nicht einigen. Die zwei im MUMOK jedenfalls nicht. Doch irgendwo in Frankreich, in einer Kirche hat ein zeitgenössischer Installationskünstler die alten langweiligen Holzstatuen weiß bemalt, die Fresken abstrahiert, und anstelle des langweiligen farbigen Fensters, die Kirche für die umgebende Landschaft geöffnet. Selbst der Vatikan hat schon ähnliche, auf das Provozieren fixierte Objekte gekauft. Am besten ist es, schlägt einer der Philosophen vor, man lässt den Begriff Kunst einfach weg und versucht an das kunstdesignierte Objekt näherzukommen, in dem man über die Art und den Inhalt der Provokation nachdenkt. Darüber sind die Zwei inhaltlich schon, formal aber nicht einig. Die Diskussion sollte dem Publikum eigentlich als kontrovers aufgetischt werden.

Über eine Stunde dauerte die Diskussion. Keine Zwischenfragen, keine Zwischenrufe. Keine Paradeiser oder faule Eier sind durch den Vortragssaal geflogen. Das Publikum hat ganz geduldig zugehört, genauso passiv wie zuhause, im Bett liegend, vor dem Fernseher.

Aber so harmlos ist das Ganze nicht! Stellen Sie sich einmal vor: Jeder von uns nominiert ein mögliche Objekt, Ereignis, eine Erscheinung aus unserem Umgebung, zum Kunstobjekt. Zuerst einmal in seinem Kopf. Um das als Kunst in die Wirklichkeit umzusetzen braucht es gar nicht mehr. Alles ist doch nur nominal. Wir nennen von nun an alles was uns umgibt Kunst. Aber die ersten die aufschreien sind wieder die scharfsinnigen Kunstphilosophen. Denn, so einfach ist es leider nicht! Nicht jeder ist dazu habilitiert, nur die RELEVANTE GRUPPE, in den RELEVANTEN STÄTTEN. Also in einer Galerie, oder noch besser in einem Museum. Aber so verklemmen sie sich endgültig in ihrem konzeptuellen Kurzschluss. Museum ist doch ein etablierter Begriff der langweiligen Tradition. Diese Verworrenheit ist heute Alltag, und Sie meine Damen und Herren, Sie finanzieren diese Abstrusitäten mit. Wir sind alle Kunstmäzene. Wussten Sie das nicht? Das Staatskunst aus Steuergeldern bezahlt wird, oder? Natürlich ist es Ihnen nicht egal was mit Ihrem Geld passiert. Man will uns einreden, dass diese Ausgaben für die schönen neuen Kleider eines märchenhaften Kaisers sind. Das ist der Gag! Der Kaiser trägt keine Kleider mehr? Der Kaiser ist nackt! Soll ich lauter schreien?

Banause! Banause! Stümper! Er versteht die Kunst nicht, schreien die Kunstphilosophen. Ich will diese Kunstform nicht verstehen, aber ihr, Kunstmännchen der CONTEMPORARY ART, ihr versteht euch selber nicht und ihr wisst gar nicht was ihr da tut. Weil ihr euch selber nicht liebt, könnt ihr gar nichts lieben. Sooo seid ihr! Wie die ungeliebten Kinder der lieblosen Eltern, die alles was in ihre Hände fällt, zerstören wollen.

Liebe oder Lieblosigkeit, darum geht es eigentlich. Auf dem Weg nach Hause wusste ich was die Bildkompositionen von Philipp zusammenhält. Die alten Griechen nannten das Eros. Sie verstanden darunter etwas ganz anderes als wir heute und schon gar nicht den Zustand der Verhaltenheit an einen herrschsüchtigen Sexismus. Man nannte Eros die universelle Kraft die den Kosmos zusammenhält. Ich wage die Vermutung dass Philipp deswegen so ins Detail geht, um auf jeden Quadratmillimeter die Liebe und Freude am Malen wirken zu lassen.

Das ist Kunst. Das ist schön. Der Urgrund der Ästhetik ist die Liebe. Die Erscheinungsformen des Schönen sind so vielfältig wie das Leben selbst. Philipp Heckmann zeigt uns die tagtägliche Gefahr der Atomisierung, des Zerfalls in der wir leben und er zeigt auch die befreiende Erlösung. Kosmos oder Chaos, darum geht es auch in der Kunst.

Und die Künstler haben heute die Wahl, - oder die Qual einer hochstilisierten Freiheit!