Die
Reise begann recht unspektakulär. Mein altes Haus hatte ich zunächst
angehoben, dann auf Räder montiert und mit allen Erinnerungen an
den Wagen gehängt. Unweit von Mitternacht pinselte ich noch: "Wherever
I lay my head is my home" über die Nummernschilder und kurz
danach war es so weit. Ich ließ den Motor an und mein bisheriges
Leben hinter mir.
Dichte Nebelschwaden nahmen mir sogleich die Sicht,
es war mir einerlei, ein Auge auf dem Kompass, eines auf der Straße,
fuhr ich unbeirrbar immer Richtung Süden. Das endlose graue Band
rollte ununterbrochen unter mir hinweg und ich durchfuhr eine weiße,
scheinwerferbeleuchtete Wand. Vielleicht war dies die Zufahrt ins Nichts.
Ohne es zu ahnen, lotste mich die Einbahnstraße schnurgerade bis
zu einem verschleierten Horizont, danach stieg sie unablässig in
die Höhe. Im Blindflug bewegte sich der Wagen wie von selbst. Immer
weiter, immer höher und nach einer, nicht enden wollenden Fahrt
durch den undurchdringlichen Nebel, öffneten sich die Wolken und
mir näherte sich die Morgenröte eines zeitlosen Augenblicks.
Mittlerweile umkreiste ein Lachmöwenschwarm spöttisch mein
Haus und nach den letzten Nebelschwaden kam ich vor einem mysteriösen
Schild zum Stehen: „The One Way Drive“. Ich hatte den Scheitelpunkt
dieser eigenartigen Straße erreicht und befand mich jetzt in schwindelerregender
Höhe unter einer Regenbogenbrücke. Rechts und links der schmalen
Fahrspur ging es jäh hinab in die Tiefe, eine Umkehr war ausgeschlossen.
Hinter mir lag die bleierne Nebelwand der Nacht, vor mir die unendliche
Weite eines wolkenlosen Himmels und das spiegelglatte Meer. Der Fahrweg
führte steil hinab, direkt auf den Ozean zu, kein Land war mehr
auszumachen.
Kein Land? Da war ein Land. Die Straße führte
direkt unter der Wasseroberfläche weiter. Mit den Augen konnte
ich klar verfolgen, wie sie sich schnurgerade in der Tiefe verlor. Ohne
nachzudenken, stieg ich ein, schaltete in den Leerlauf und löste
die Bremsen. Gemächlich nahm mein Gespann Fahrt auf und das Haus
schob den Wagen unaufhaltsam vorwärts. Immer schneller jagte ich
die Straße hinunter. Die Tachonadel blieb bei 280 km/h stehen.
In völliger Gelassenheit entzündete ich eine Zigarette und
durchbrach ohne den geringsten Wellenschlag das dünne Häutchen
der Wasseroberflächenspannung. Der Ozean flutete den Innenraum.
Meiner Zigarette war dies gleichgültig, sie brannte selbstvergessen
im Aschenbecher weiter. Ohne Schaden, Nässegefühl oder Atemnot
tauchte ich hinunter ins Meer. Alles schien wie gewohnt, nur die Umgebungsfarbe
hatte sich ins Bläulich-violette verändert und die Sonnenstrahlen
warfen bunte Reflexe auf den Meeresgrund. Der Wagen rollte langsam aus
und ich kontrollierte mich im Rückspiegel. Alles schien normal,
weder Fischaugen noch Kiemen hatte ich bekommen, der Motor ließ
sich problemlos starten und blubberte regelmäßig. Schmunzelnd
nahm ich mir vor, später nachzusehen, ob und wie die Toilette und
die Dusche im Haus noch funktionierten. Delfine und Putzerfische begleiteten
mich, während ich eine mit Relikten versunkener Kulturen angefüllte
Trümmerlandschaft durchfuhr. Am Straßenrand lagen Säulen,
Statuen, Einkaufswagen, Amphoren und Weichspülerflaschen, alles
war dicht besetzt von Muscheln und Korallen. Fischschwärme durchstreiften
die Wracks von Öltankern und U-Booten, auch ein versunkenes Floß
sah ich. Aus den Seetangwäldern lugten verfallene Kathedralen und
Industrieanlagen hervor, Bunkerruinen versanken im Meeresboden. Überwältigt
von den bizarren Formen und Farben der Unterwasserwelt, die in ihrer
heiteren Lebendigkeit die leblosen Dinge des Menschen überwucherten
und verdauten, versuchte ich erst gar nicht etwas geschichtlich oder
wissenschaftlich zuzuordnen. Diese erstaunliche stille Welt und ihre
Bewohner zogen mich vollständig in ihren Bann. Die Unterwasserfahrt
verging dabei wie im Fluge. Inmitten der Schlummerstunde verließ
der Fahrweg allmählich die Ebene der Ruinenfelder und führte
hinab in die Tiefe. Ich ließ mich treiben, die Straße verlief
Schnurgeradeaus, das Einzige anstrengende war, ständig bremsbereit
zu sein, um keinen Fisch zu überfahren.
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