Die Zeit verging. Jason und Jasmin machten sich Gedanken
über die Schulausbildung der Kinder. Sie auf eine Schule zu schicken
hätte bedeutet, dass sie die Insel der fischenden Katze verlassen
mussten und beide hatten Bauchschmerzen bei dieser Vorstellung. Jasmin
erinnerte sich an ihren eigenen schulischen Leidensweg und fragte Jason:
„Wie war eigentlich deine Schulzeit?“ „Frag lieber
nicht, mir schleichen dabei verstaubte Erinnerungen an sinnlose Zeiten
durch den Kopf.“ Sie waren ratlos.
„Mir kommt da eine Idee! Wir könnten Mäc
Byte, meinen alten Computer aktivieren! Ich habe noch ein Computerspiel,
damit kann man eine Schulkarriere bis zum Bachelor durcharbeiten“,
schlug Jason vor. „Es ist ziemlich realistisch. Vor allem die
Lehrer sind sehr naturgetreu durchgearbeitet. Das Programm läuft
neun Jahre in Echtzeit. Was meinst du?“ „Fragen wir erst
einmal die Kinder, was sie davon halten“, entgegnete Jasmin und
rief für den Abend den großen Familienrat zusammen.
Jasons Ausführungen begeisterten die Kinder.
Er unterdrückte sein aufkommendes schlechtes Gewissen, als er ausrief:
„Was sind schon neun Jahre für euch. Die vergehen wie im
Flug!“ Allemal wäre das kinderleichte Schulprogramm für
Genies wie sie in null Komma nichts zu bewältigen. Ein einleuchtendes
Argument war die Aussicht auf eine „Professor Dr. Naomi“
oder einen „Master of Nemo“ und die damit verbundene Tatsache,
ohne Weiteres in die Riege der Nobelpreisträger aufzusteigen. Naomi
und Nemo gaben ihr uneingeschränktes Indianerehrenwort, ab sofort,
engagiert, gewissenhaft, unentgeltlich und zuverlässig bei jedem
Wetter eine Vierzigstundenwoche in der virtuellen Schule zu verbringen.
Die erste Schulstunde begann um 07:30 h des nächsten Tages. Naomi
und Nemo standen schon kurz vor Sonnenaufgang freiwillig auf und weckten
den Hahn mit Wolfsgeheul. Caruso fiel vor Schreck von seiner Hühnerleiter
und vergaß zum ersten Mal in seinem Leben, den Weckappell auszukrähen.
Die Kinder waren sichtlich aufgeregt und plünderten
mit Bravour ihre Schultüten vor dem leeren Bildschirm. Pünktlich
zu Schulbeginn begann der Monitor zu flackern und es klingelte schrill
zur ersten Stunde. Versteckt hinter einem Himbeerbaum beobachteten Jason
und Jasmin das Geschehen.
Naomi und Nemo wurden von der Direktorin Fräulein
Pauke, einer ältlichen Mittfünfzigerin im mausgrauen Reiherkostüm,
begrüßt. Eine lange Rede mit kurzem Sinn erwartete sie. Lateinische
und griechische Sprachstämme durchwanderten ein großes belehrend-mahnendes,
durchaus gut gemeintes Blabla. Naomi und Nemo verstanden zwar nur Weltraumbahnhof,
blieben dennoch höflich sitzen. Der dicht gedrängte Stundenplan
wurde verlesen und es begannen die ersten Allgemeinbildungstests. Naomi
und Nemo waren begeistert. Sie konnten alles beantworten. Selbst aus
was Milchreis besteht, wussten sie auf Anhieb. Jason und Jasmin waren
erleichtert und ließen die Kinder in der Obhut von Fräulein
Pauke.
Die anfängliche Begeisterung nahm während
der nächsten Mondphasen kontinuierlich ab. Den Weckappell besorgte
bald wieder Caruso im Solo und es wurde unendlich mühsam, Naomi
und Nemo pünktlich vor den Schulcomputer zu setzen. Naomi kaute
in Zeitlupe an ihrem Frühstück, und Nemo hatte immer etwas
vergessen. Zumeist die Hausaufgaben von Naomi abzuschreiben. Es wurde
ihnen fad, vor allem nachmittags beim Nachsitzen. „Jason, wozu
braucht man die Wurzel aus Pi?“ „Pi ist, soweit ich mich
erinnere, ein chinesisches Gemüse. Was man aus der Wurzel macht?
Hm, Fräulein Pauke kann dir das sicher erklären.“ „Die
sagt, es sei kein Gemüse, sondern ein Abstraktum. Das gehört
zur Allgemeinbildung.“ „Ah so? Ist die gescheit. Ich habe
mich bisher immer nur mit dem Konkretum beschäftigt.“ „Jasmin,
wie geht es dem Genitiv zum zweiten Futurum bei Morgengrauen?“
„Moment, das habe ich mal gewusst. Äh, das ist schon so lange
her. Ich glaube, so eine Frage muss man zuerst akkusativ, nein, dativ
angehen … oder doch umgekehrt? Ehrlich gesagt, ich habe es noch
nicht ausprobiert. Frag einfach Fräulein Pauke.“ „Aber
genau die will das doch von mir wissen!“ Die überflüssigen
Debatten fingen an gehörig zu nerven, und die gute Laune schwand
dahin.
„Ich komm mir vor wie in einem Irrgarten“,
sagte Nemo zu Naomi. „Fräulein Pauke setzt uns wie Versuchsmäuse
irgendwo mitten rein und wir sollen den Ausgang finden. Von Jason und
Jasmin lernen wir immer etwas, das wir auch brauchen können. Ich
kann schon mit den Zehen schnipsen. Milchreis kochen, fischen und den
Purzelbaum im Präsens. Was von Fräulein Pauke kommt, habe
ich noch nie gebraucht. Sie kann mir nicht schlüssig erklären,
warum ich diesen Pipin den Kurzen eigentlich kennen soll. Mir raucht
der Kopf vor lauter Grammatik und Algebra.“ Naomi seufzte. „Ich
glaube, es wird Zeit, dass wir handeln“, antwortete sie. „Auf
die Frage, wann unsere Geschichte begann, wusste mir Fräulein Pauke
keine Antwort. Sie hat irgendwas von „Und es ward Licht“
gesagt. Das war selbst Mäc Byte zu viel. Er ist bei ihren Worten
abgestürzt. Dann wollte ich wissen, mit wie vielen Jahren Katzen
zu sprechen beginnen, doch anstatt mir zu antworten, erzählte sie
mir das Märchen vom Unpaarzeher und den Bienchen. Mir ist regelmäßig
schlecht, wenn ich an sie denke. Sie verfolgt mich schon in den entlegensten
Träumen und hämmert mit ihrem Zeigestock auf meinem Kopf herum.
Wir müssen den großen Familienrat einberufen!“
Jason und Jasmin waren nicht sonderlich überrascht,
als sie die Klagen der Kinder hörten. Sie nahmen die schulische
Ausbildung wieder selbst in die Hand und Fräulein Pauke verschwand
mitsamt ihrer Schule von der Festplatte.
Nach mündlicher Absprache mit Jasons Allwiss-Lexikon
wurde es den Kindern in einer Feierstunde übergeben. Allwiss war
sehr stolz auf seine neue pädagogische Aufgabe. Er gab freudig,
immer mit mehr oder weniger interessanten Querverweisen und vor allem
ohne lästige Fragen, Auskunft. Die drei wurden die besten Freunde.
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