Seit vorgeschichtlicher Zeit glauben Menschen an Naturgeister.
Die Vorstellung, dass die Urmaterie aus einem Urgeist hervorgegangen
und die Welt ein Teil einer sich raum- und zeitlos entwickelnden Gesamtheit
sei, führte dazu, Bäume, Felsen, Berge etc. als beseelt zu
betrachten und ihnen innewohnende Geister zuzusprechen.
Bei
aller heutiger Ratio und wissenschaftlichen Erklärungen geht es
mir ähnlich wie unseren Ahnen der Steinzeit. In jedem Stein, jeder
Pflanze, jedem Tier, an jedem Ort zeigen sich mir Gesichter und Figuren.
Ein zusammenhängendes Ganzes enthüllt sich im Widerhall dieser
flüchtigen, rein sinnlichen Erscheinungswelt. Solcherart irreale
Geister haben immer dieselbe heitere Botschaft. Sie sprechen vom ununterbrochenen
Wandel, vom Werdens und Vergehen des Lebens.
Bäume
mit der Kamera zu porträtieren, bereitet mir eine enorme Freude.
Jeden Baum erlebe ich dabei als fassbare Persönlichkeit. Ihre ausdrucksstarken
Gesichter sehe ich zuweilen sofort, andere erst bei genauerer Betrachtung,
eine unstrittige Mimik zeigt sich mir bei allen. Ich habe den Eindruck,
je älter Bäume werden, umso deutlicher zeichnen sich ihre
inneren Charaktere ab. Besonders reizvoll sind für mich erloschene
Bäume, an denen Wind und Wasser die im Stamm und in den Wurzeln
verborgenen Geschichten freilegen.
Das Wort
Spirit ist dem Englischen entnommen. Es bedeutet Geist im Zusammenhang
mit Bewusstsein und bezeichnet zugleich Gespenster oder Lebensgeister.
Diese „Geister“ kann man in allen Elementen wahrnehmen,
sie zeigen sich unter dem Mikroskop, in den Sternnebeln des Weltalls,
in leblosen Steinen genauso wie im Wasser oder den Wolken. Um dieses
Phänomen zu veranschaulichen, habe ich für diesen Band eine
Fotoserie von Baumgeistern ausgewählt. Meine Intuition beim Fotografieren
der Spirits fasste Aldous Huxley in folgende Worte:
„Es
gibt Dinge, die bekannt sind und Dinge, die unbekannt sind, dazwischen
sind die Pforten der Wahrnehmung.“ |